Noch zu Hoffmanns Lebzeiten würdigte der Bildhauer Fritz Wotruba den Wegbereiter der Moderne kritisch als eine der drei prägnanten und prägenden Persönlichkeiten der österreichischen Kunst um 1900. Laut den Kuratoren der Schau, Christian Witt-Dörring, Matthias Boeckl und Rainald Franz, gibt es „eine ideologische Konstante in Josef Hoffmanns Schaffen, die sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Werk zieht. Gestützt auf den von der englischen Arts & Crafts-Bewegung übernommenen Glauben an die heilende soziale und wirtschaftliche Kraft der Schönheit, ist sie geprägt vom Primat des individuellen künstlerischen Ausdrucks.“
Hoffmann, so die Kuratoren, hätte „keinen Unterschied zwischen hoher und niederer Kunst, zwischen bildender und angewandter Kunst akzeptiert und bekam damit die Aufgabe übertragen, den menschlichen Alltag mittels seines Werks zu missionieren“, wie es im Einleitungstext des Katalogs zur „Ausstellung der Superlative“ (MAK-Direktorin Lilli Hollein) heißt. Mit mehr als 1000 Objekten, die in 20 Kapitel eingeteilt wurden, wird noch bis 17. Juni in der MAK-Ausstellungshalle dem umfangreichen Werk des Künstlers über alle Phasen seines Lebens nachgegangen.
Hoffmanns Gesamtkunstwerk
Rund 60 Jahre war der 1870 im mährischen Brtnice geborene Josef Hoffmann bis zu seinem Tod 1956 – sein Leben überdauerte fünf politische Regime – darum bemüht mit Hilfe seiner Kreationen das tägliche Leben mit Schönheit zu beseelen. Sein Betätigungsfeld erstreckte sich dabei vom Schirmständer übers Essbesteck bis hin zur Luxusvilla.
Bereits in der 1897 gemeinsam mit Josef Maria Olbrich, Otto Wagner und Gustav Klimt ins Leben gerufenen Künstlervereinigung „Wiener Secession“ wurden in den Ausstellungen der Secessionisten Kunstgewerbe (angewandte Kunst) gleichberechtigt neben den bildenden Künsten präsentiert und als Gesamtkunstwerk inszeniert. Am Sanatorium Purkersdorf, dem Cabaret Fledermaus und dem Brüssler Palais Stoclet (1905-1911) lässt sich Hoffmanns Vorstellung des Gesamtkunstwerks – indem vom Teppich über Wandvertäfelung und Beleuchtung bis hin zum Garten nichts dem Zufall überlassen wurde – noch heute am besten fassen.
Architekt der Wiener Werkstätte
Die von dem belgischen Magnaten-Ehepaar Adolphe Stoclet und Suzanne Stoclet-Stevens in Auftrag gegebene Villa, die sich nach wie vor in Privatbesitz befindet, ist seit 2009 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und sorgte bereits nach der Fertigstellung für Furore. Der Bauherr, Adolphe Stoclet, war auf Hoffmann während eines Spaziergangs vorbei an der von Hoffmann errichteten Villa Moser/Moll auf der Hohen Warte aufmerksam geworden. Das ursprünglich als Teil einer Künstlerkolonie geplante Wohnhaus war das erste, das der damals knapp 30jährige Hoffmann in Wien realisieren konnte. Bereits ein Jahr vor dem Großauftrag durch Stoclet hatte Hoffmann gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen, dem Maler Koloman Moser und dem Financier Fritz Waerndorfer, 1903 die Wiener Werkstätten ins Leben gerufen. Die beiden Künstler, Hoffmann und Moser, hatten sich während ihrer Studienzeit kennengelernt und gemeinsam mit anderen Studierenden Mitte der 90er Jahre den „Siebener Club“ – sozusagen eine Keimzelle der frühen Wiener Moderne – in Leben gerufen.
Ziel der Wiener Werkstätte (Moser stieg nach Streitigkeiten mit Waerndorfer bereits 1907 aus) war es Gebrauchsgegenstände von hoher Qualität in Material und Design herzustellen und damit in Abkehr zur industriellen Massenproduktion dem Kunstgewerbe zum Aufschwung zu verhelfen. Doch das Unternehmen erwies sich als schwierig, die Jahre der Wiener Werkstätte waren immer wieder durch finanzielle Schwierigkeiten geprägt. Schuld daran waren vor allem in den Anfängen die Ausstattung des Palais Stoclet, für deren Realisation Waerndorfer für eine Pauschalsumme übernommen hatte, sowie das „Cabaret Fledermaus“, das von den Werkstätten gegründet und ausgestattet wurde. In dem in den Kellerräumlichkeiten in der Kärntner Straße 33 untergebrachten Veranstaltungslokal hatten, von Egon Friedell, Alfred Polgar, Peter Altenberg, Roda Roda, Alfred Roller, Oskar Kokoschka sowie nicht zuletzt die Tänzerinnen Grete Wiesenthal mit ihren Schwestern, Gertrude Barrison und Miss Macara, sämtliche KünstlerInnen eine Bühne erhalten. Einen Eindruck von der Ausstattung des Etablissements kann man heute leider nur mehr anhand diverser Skizzen sowie einem Modell, das nebst einem von Hoffmann entworfenen Stuhl in der Ausstellung zu sehen ist, bekommen.
Bauen für die Stadt
„Um den Konkurs der Wiener Werkstätte zu verhindern, war Hoffmann 1926 auch bereit gewesen, mit der Stadt Wien über die Eingliederung der Wiener Werkstätte in die wirtschaftlich erfolgreiche gemeindeeigene Gemeinwirtschaftliche Siedlungs- und Baustoffanstalt (GESIBA) zu verhandeln – ein Vorhaben, das allerdings scheiterte“, schreibt Elisabeth Boeckl-Klamper im Katalog. Doch seine Kontakte zur Stadt erwiesen sich durchaus als nützlich. 1932 konnte Hoffmann vier Reihenhäuser der Werkbundsiedlung realisieren. Der damalige Direktor der GESIBA, Hermann Neubacher, wurde, nachdem er zum Präsidenten des Werkbundes ernannt wurde, nach dem „Anschluss“ 1938 Bürgermeister von Wien. Für die Nationalsozialisten plante Hoffmann das „Haus der Wehrmacht“ und das „Haus der Mode“. Zu einer Ehrung zu seinem 70. Geburtstag kam es jedoch nicht, da er als zu judenfreundlich galt. Seinen Zenit als Architekt hatte er zu jener Zeit längst überschritten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der einstige Wegbereiter der Moderne die Kommissionsleitung der Biennale in Venedig (bereits 1934 zeichnete er für die Planung des Österreichischen Pavillons der Biennale in Venedig verantwortlich) und plante gemeinsam mit Josef Kalbac drei Gemeindebauten.
In der Ausstellung zu sehen sind unter anderem noch nie gezeigte Entwürfe Josef Hoffmanns
aus den Jahren des Nationalsozialismus. Aber auch Projekte aus den Archiven der Firmen J. & L. Lobmeyr, J. Backhausen & Söhne und der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten werden teilweise zum ersten Mal präsentiert. Als wahrer Eyecatcher der Präsentation erweist sich zudem eine Rekonstruktion des von Josef Hoffmann für die Pariser Weltausstellung 1937 entworfenen „Boudoir d’une grande vedette“, das sich im mittleren Teil der Ausstellungshalle befindet. Zu gerne würde man beim Anblick des verspiegelten Boudoirs in seine Federpantoffeln schlüpfen und sich ein Gläschen Likör genehmigen. Generell nimmt sich die Ausstellung als sinnlich überaus ansprechend aus. Ein Besuch bietet sich aufgrund der gelungenen Ausstellungsgestaltung (Gregor Eichinger) sowie der übersichtlich gestalteten Saaltexte sowohl für Besucher, die sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen, wie auch für jene, die für mehrere Stunden abtauchen wollen, an. Sich ins Sofa vor der Filmleinwand falen lassen inklusive.
Josef Hoffmann. Fortschritt durch Schönheit
Noch bis 17. Juni 2022
MAK-Ausstellungshalle, MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Öffnungszeiten Di 10:00–21:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr
www.mak.at
Buchtip:
JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit. Das Handbuch zum Werk, herausgegeben von ChristophThun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Rainald Franz und Christian Witt-Dörring. Deutsch, 448 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen. MAK, Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2021. Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at. Preis: 69,95 Euro.
Special-Tipp:
Welttag der Fremdenführer*innen 2022
Führungen und Vorträge zu Josef Hoffmann So, 20.02.2022 10:00 Uhr–18:00 Uhr
Im MAK – Museum für angewandte Kunst
Die Teilnahme ist kostenlos (begrenzte Teilnehmer*innenzahl. Online-Voranmeldung unter mak.at/welttag2022 unbedingt erforderlich)Es gilt die 3G-Regel
Titelbild: MAK-Ausstellungsansicht, 2021 „Josef Hoffmann. Fortschritt durch Schönheit“. MAK-Ausstellungshalle
© MAK/Georg Mayer
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